Ein Gespräch mit Ursula Bauer

Ein Gespräch mit Ursula Bauer, Locanda Mistral, Valle Maira
Kürzlich war Ursula Bauer bei uns in der Locanda Mistral zu Gast. Gemeinsam mit Jürg Frischknecht hat sie eines der bekanntesten Bücher über die Valle Maira geschrieben: „Antipasti und alte Wege. Valle Maira – Wandern im andern Piemont“. Da konnten wir natürlich nicht widerstehen und haben mit Ursula unter anderem über das Maira-Tal, dessen Entwicklung und die Percorsi Occitani gesprochen. Viel Spaß beim Lesen!

Liebe Ursula, es freut uns sehr, dich als Gast in der Locanda Mistral begrüßen und dieses Gespräch mit dir führen zu dürfen. Könntest du unseren LeserInnen ein wenig mehr von dir erzählen?

Ich bin in Solothurn, einer kleinen Stadt im schweizerischen Mittelland aufgewachsen, in einer Lehrerfamilie. In den Sommerferien fuhren wir in die Berge, das hat mich wohl geprägt.  Seit 50 Jahren lebe ich in Zürich. Ich liebe das Leben in der Stadt, vor allem, wenn man die Berge so nahe hat. Als Bibliothekarin und Mediendokumentalistin war Lesen mein Beruf. Erst mit 45 Jahren kam das Schreiben dazu, als ich mit Jürg Frischknecht, meinem Mann, begann, Wanderführer zu schreiben, Lesewanderbücher.

Der Wanderführer „Antipasti und alte Wege“ ist eines der bekanntesten Bücher über die Valle Maira. Wie ist es dazu gekommen? Bzw. wann und wie hast du das erste Mal von unserem versteckten Alpental gehört?

In den 1980er Jahren hat Werner Bätzing seinen Führer zur GTA, der Grande Traversata delle Alpi, veröffentlicht. Das war wie ein Türöffner zu einer Gegend in Italien, die bei uns im Norden kaum bekannt war. Mit diesem Hintergrund wanderte 1992 Transalpedes, eine internationale Gruppe von Umweltaktivistinnen, Alpenpolitikern und Journalisten in drei Monaten von Wien nach Nizza, und besuchte dabei Aktionsgemeinschaften und Projekte, die sich mit dem Leben und Überleben in den Alpen beschäftigten. Jürg war Teil der Gruppe, ab und zu wanderte ich ein paar Tage mit. So kam ich das erste Mal ins Valle Maira.

Du warst das 1. Mal 1992 in der Valle Maira. Was hat dich damals am meisten überrascht? Kannst du dich noch an deine ersten Eindrücke erinnern?

Der erste Besuch war kurz, und ausserdem nebelverhangen. Aber er reichte; der herbe Charme des Tals nahm uns gefangen. Und die Idee der Percorsi Occitani (allein schon der Name - ein Volltreffer), der Versuch, die massive Abwanderung mit einem sanften Wandertourismus zu stoppen, fanden wir toll und sehr mutig. Die Begeisterung für die Sache war auch bei den Menschen, die die Posti tappa betrieben zu spüren, und, das sage ich immer wieder gerne, die Frauen spielten dabei eine zentrale Rolle. Denn sie wussten, dass Liebe nicht zuletzt durch den Magen geht. Ihre kreativen, von der Tradition und vom Piemont der Langhe geprägten Mehrgänger waren ein Fest, auf das wir uns jeweilen den ganzen Wandertag freuten. Kurzum, ein Wanderparadies der Superklasse, das lange kaum beachtet wurde, trotz all unserer und unserer FreundInnen Schalmeienklänge.

Und was überrascht dich heute? Wie hat sich, deiner Beobachtung nach, das Tal verändert?

Das Mairatal hat eine Erfolgsgeschichte, wie man sie selten sieht. Die Percorsi Occitani, die Wanderer-Autobahn von einst, verschwindet heute fast im dichten Geflecht neuer Wanderwege und trendy Bike-Trails. Die Zahl der Gastbetriebe hat sich mehr als verdoppelt. Marketing wird zeitgemäss mit grossen Buchstaben geschrieben. Wenn man sich durch all die Angebote durchgekämpft hat, wünschte man dem Tal eine kreative Atempause, eine Retraite am Meer für alle, die an der Marke Valle Maira mithäkeln.

Du hast die Entwicklung der Percorsi Occitani nicht nur mitverfolgt, sondern auch mitgestaltet. Könntest du uns einen Einblick in deren Entstehung geben? Und deine Gedanken zum Status Quo, einer möglichen Weiterentwicklung dieses Projektes mit uns teilen?

Die Percorsi Occitani waren ein Wurf, entstanden aus der Not. Die Abwanderung aus den Alpentälern des Piemont war gravierend. Es war ein glücklicher Zufall, dass Ermanno Bressy von der Communità montana, Matteo Laugero, einer der wenigen Rückwanderer und Andrea Schneider, ein zugewanderter Voralberger mit seiner deutschen Frau Maria, zusammenfanden und das Projekt der Percorsi Occitani auf die Beine stellten.

Es war, wie gesagt, der perfekte Wandertraum, für Kopf und Bauch und Füsse. Andrea und Maria Schneider in San Martino waren gute Freunde und damit unsere Infobörse, eine, die uns auch Klatsch und Tratsch nicht vorenthielt. Sie schauten unserem glücklichen Herumvagabundieren ein paar Jahre zu, dann überredeten sie uns zu einer kleinen Broschüre. Es wurde ein ziemlich dickes Buch. Eher Lesebuch als Wanderführer, unter dem Motto: »Wess das Herz voll ist, des geht der Mund über«. Aber es hat seinen Zweck erfüllt. Unsere Begeisterung sprang endlich über. Die Besucherzahlen aus dem deutschsprachigen Raum verdoppelten sich danach fast jährlich. Kein Wunder, wenn man beinahe bei null anfängt

Das Tal hat sich mit dem Erfolg natürlich verändert, es sind nicht mehr nur die bedächtigen Bergwanderer unterwegs. Aber gemessen an den Entwicklungen, wie wir sie andernorts in den Alpen sehen, ist die Balance zwischen nachhaltigem Wirtschaften und Erfolgsoptimierung immer noch ok. Klar, es wäre schön, wenn sich die PO unter all den vielen Angeboten wieder stärker als eigenständige Marke positionieren würde, sind sie doch der rote Faden, mit dem alles angefangen hat. Zurück zu den Wurzeln? Wie denn und zu welchen Wurzeln, das ist die Frage. Ich selber gehöre mittlerweilen ja auch zur anspruchsvollen Sorte der WanderInnen, die nebst gut markierten Wanderrouten ein komfortables Zimmer, eine warme Dusche, einen schön gedeckten Tisch und eine anständige Weinauswahl zu schätzen weiss, oder etwas drastischer gesagt: voraussetzt.

Hinter der saisonalen Betriebsamkeit lässt sich nicht ganz verstecken, dass das Tal, gemessen an der Zahl der Einwohner, die das ganze Jahr da wohnen, stagniert. Das Valle Maira ist damit nicht alleine.  Auch bei uns gibt es Dörfer, die hinter einer netten aufgehübschten Fassade hohl sind. Kein Laden, kein Postbüro, keine Schule, keine Beiz, wo man sich am Stammtisch zum Bier trifft. Die Stadtflucht, zurück ins heimatliche Tal, hat (noch) nicht stattgefunden. 

In der Locanda Mistral haben wir uns dem nachhaltigen Handeln verschrieben. Deswegen freuen wir uns, dass das Thema der Nachhaltigkeit immer größere Aufmerksamkeit erhält. Wir wissen, dass auch du dich mit diesem Thema intensiv beschäftigst, und würden uns freuen, wenn du deine Eindrücke und Gedanken mit uns teilen könntest.

Nachhaltigkeit ist heute auch im Tourismus mehr als ein blosses Trendwort, diesseits und jenseits der Alpen. Die Gäste, die zu euch kommen, sind mehrheitlich (nehme ich an) gut informiert und schätzen es, zu wissen, wo das Frühstücksei, das Brot, der Käse, Salat und Gemüse, Fleisch und Wurst herkommen, das Bauholz, die Energie. Persönlich bin ich, salopp gesagt, schon mal froh, dass ich mit dem Wandern ein umweltverträgliches Hobby, und, weil ich leidenschaftlich gerne gut esse, ein Zipfelchen Bemühen um Nachhaltigkeit vorweisen kann. Dem nachzuleben ist bei euch wahrlich nicht schwer.

Wie immer sind wir neugierig: Was steht bei dir als Reisende und Buchautorin als nächstes auf dem Programm?

Während der zwei Coronajahre bin ich in meiner näheren Umgebung herumgewandert. Auch das kann spannend sein, darüber berichte ich in meinem Blog, den mir der Rotpunktverlag, eingerichtet hat. Und bevor wir wieder in irgendeinen Lockdown müssen, möchte ich mit dem Schiff von Vancouver der kanadischen Westküste entlang nach Alaska fahren.  

Abschließend: gibt es eine Frage, die wir dir nicht gestellt haben, aber hätten stellen sollen? Was möchtest du unseren LeserInnen mit auf dem Weg geben?

Es wäre schön, wenn nebst dem dominierenden Tourismus auch andere Arbeitsmöglichkeiten geschaffen würden, solche, die junge Familien mit Kindern ins Tal bringen, Kleinbetriebe wie Schreinereien, Bierbrauereien, auch Berufe, die dank Internet ortsunabhängig sind. Das wäre echt nachhaltig.   

 

 

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